Russischer Samowartee

Rußland, eine klassische Teetrinker-Nation
Der Anbau einheimischer Teesorten und ihr rapider Rückgang in den letzten Jahren

Bis heute zählt Rußland zu den klassischen Teetrinker-Nationen.

Bereits zu Zarenzeiten wurden in Rußland beachtliche Mengen Tee konsumiert. Die langen, kalten Winterabende wurden in Rußland stets mit dem summenden Samowar und heißem, stark gesüßten Schwarztee überbrückt. Ohne Tee ist bis heute kein Haushalt in Rußland anzutreffen.

Der klassische russische Samowartee wurde jahrzehntelang auf dem beschwerlichen Landweg über Sibirien in die Handelskontore nach Petersburg und Moskau gebracht. Diese sogenannten "Karawanentees" stammten zum größten Teil aus Südwestchina und zeichneten sich durch einen kräftigen, leicht rauchigen Geschmack aus.

Die Entstehung der Russischen Mischung

Durch die Akzeptanz westlicher Sitten in den russischen Großstädten wurde der Blick der russischen Händler auch auf die bei Briten und Holländern bevorzugten Teesorten gelenkt. Erstmals kamen so um die Jahrhundertwende indische und ceylonesische Teesorten in den Handel - Petersburger Händler mischten diese "neuen" Sorten mit den klassischen Karawanentees - das Ergebnis waren die inzwischen weltweit geschätzten Russischen Mischungen (gegenwärtig meist zu je 50% Anteilen aus Ceylon High Growns und China Black gemischt). Am Zarenhof setzten sich ebenfalls die neuen Mischungen durch - der Bedarf an Tee wuchs immer schneller...

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Teeanbau in Rußland

Um den wachsenden Verbrauch besser abdecken zu können, wurden in den südrussischen Provinzen Experimente mit Teepflanzen durchgeführt um so vielleicht aus eigener Produktion die immens teuren Importe ablösen zu können. Bereits 1871 hatte der Zar auf seinen Gütern an der grusinischen Schwarzmeerküste (heute Abchasien) erste Teegärten anlegen lassen. Allerdings konnten die dort geernteten Tees weder mengenmäßig noch qualitativ den Teedurst der Russen stillen. Also wurden im Kaukasusvorland und in den kaukasischen Bergprovinzen (jetzt Aserbaidshan, Dhagestan, Armenien) ebenfalls Teegärten angelegt. In Sowjetzeiten wurden diese einstmals alle im Zarenbesitz sich befindlenden Gärten verstaatlicht und extensiv weiterbewirtschaftet.

Die Sowjetunion der 60er und 70er Jahre gehörte dadurch zu den größten Erzeugerländern von Schwarztee. Allerdings wurden diese Teesorten fast ausschließlich für den einheimischen Markt produziert - Tee (auf russisch: Tschaj) war inzwischen Volksgetränk Nummer Eins. Tee verband die heterogenen Volksmassen dieses Riesenreiches mehr miteinander als alle staatliche Gesetze oder die wirtschaftlichen Defizite. Bei einer Tasse Tee mit Warenije (eine fruchtige, meist selbst hergestellte Konfitüre) vergaß man den etwas tristen Alltag im Riesenreich. Friedlich vereint saß man um den Samowar, lauschte dem Blubbern und Summen und trank Tee.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion setzte ein Niedergang dieser nationalen Teekultur ein. Durch Bürgerkriegswirren und Separationsbestrebungen der verschiedenen Länder der neugegründeten Russischen Föderation wurden de facto alle Teeplantagen außerhalb des russischen Kernlandes ein Opfer der neuen Politik. In den Schwarzmeeranbaugebieten Grusiniens (jetzt Georgien) und Abchasiens wurden alle Teegärten durch Kriegseinwirkung zerstört, so daß die Produktion zum Erliegen kam.

In den kaukasischen Republiken ging die Produktion dramatisch zurück aufgrund fehlender technischer und logistischer Kapazitäten. Erschwerend kam hinzu, daß der bis Anfang der 90er Jahre gut abgeschottete Binnenmarkt für Tees aus Indien, Sri Lanka und inzwischen auch China geöffnet wurde und die einheimischen Sorten durch Importe verdrängt wurden. Tee nach russischer Art (Samowartee) wird in vielen Haushalten Deutschlands mit wachsender Begeisterung getrunken. Dazu reicht man Konfekt, Gebäck (Piroschki, süße Piroggen, Pliwi, Petschenije..) oder an Feiertagen auch Torte ..

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